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Meine Geschichte

Eine Person, in der dir Liebe begegnet ist, kannst du nicht wirklich verlieren,
auch wenn sie sich wieder von dir trennen muss…

Denn sie wird nicht gehen, ohne etwas von dir mitzunehmen und etwas unsagbar schönes in dir zurück zu lassen:

das stille Wissen, dass eure Seelen sich nun so nahe sind, wie nie zuvor!

 

 

Meine Geschichte begann am 19. September 2008 – ohne es gleich zu wissen!

Mein Mann und ich, wir wünschten uns schon seit einiger Zeit ein Baby und Anfang Oktober hatte ich plötzlich das Gefühl: Jetzt ist es so weit! Ich habe beschlossen einen Schwangerschaftstest zu kaufen und mein Gefühl hat sich nicht getäuscht! Ich war schwanger und unendlich glücklich darüber!

Die gesamte Schwangerschaft erlebte ich sehr intensiv und bewusst! Ich informierte mich ausführlich darüber, was in meinem Körper vor sich ging und wie sich mein Kind entwickelt. Ich wollte alles bis ins kleinste Detail wissen. Die Zeitabstände zwischen den den Arztterminen, kamen mir vor wie kleine Ewigkeiten und ich konnte es kaum erwarten, mein Kind wieder auf dem Bildschirm zu sehen. Ich ließ auch unsere Familien und Freunde an unserem großen Glück teilhaben und teilte all unsere Ultraschallfotos und unser Befinden! Ich hatte während der ganzen Schwangerschaft ein sehr starkes Bedürfnis, diese Zeit so intensiv und bewusst wie möglich zu erleben. Das hab ich auch getan! Heute bin ich unendlich dankbar darüber, denn diese Zeit in der ich meine Tochter unter meinem Herzen trug, war die schönste Zeit, die wir gemeinsam hatten! Denn alles sollte anders kommen:

Am 10. Juni 2009 wachte ich in der Früh auf und dachte: Oh! Die Fruchtblase ist geplatzt – juhuuu es geht endlich los und unsere Tochter macht sich auf den Weg! Ich habe mich sehr gefreut, bis ich aufgestanden bin und bemerkt habe, dass ich nicht in Fruchtwasser gelegen habe, sondern in Blut…
Ich habe im Krankenhaus angerufen und mir wurde gesagt, ich sollte mit der Rettung kommen. Das habe ich dann natürlich auch gleich gemacht. Bei der Untersuchung im Krankenhaus verlor ich immer noch sehr viel Blut, doch die Ärztin meinte, es sei alles in Ordnung. Sie wusste zwar nicht, woher das Blut kam, aber sie versicherte mir, dass alles OK ist und meine Tochter wohl heute auf die Welt kommen will. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass es normal sei, so viel Blut zu verlieren und fragte erneut nach. Doch die Ärztin versicherte mir noch einmal, dass sie alles kontrolliert habe und alles in bester Ordnung wäre. Das Blut wäre ein Zeichnen und völlig normal und wegen dem Blasensprung, sieht das alles so viel aus.

Ich war sehr skeptisch, ich konnte mir nicht vorstellen, dass es normal sei, während einer Geburt so viel Blut zu verlieren, aber es war schließlich meine erste Geburt und ich hatte ja keine Ahnung, wie eine Geburt wirklich abläuft. Ich musste am Gang auf meine nächchste Untersuchung warten weil kein Kreißzimmer frei war und fragte zwischendurch auch die Hebamme immer wieder, ob ich mich nicht lieber hinlegen sollte oder per CTG überwacht werden sollte… Die Hebamme versicherte mir mehrmals, dass die Ärztin mich untersucht habe und wenn sie sagt, es passt so, dann passt es auch so. Nach den Worten: „So ist das eben wenn man ein Kind bekommt, so läuft eine Geburt nun mal ab!“ bekam ich das Gefühl, ich sei eine hysterische Mutter die dem Krankenhauspersonal mit ihren Ängsten nur auf die Nerven geht. Ich versuchte mich zu beruhigen und dem Fachpersonal zu glauben und Vertrauen zu schenken, dass alles gut geht. Das habe ich aber nicht wirklich geschafft, mein Gefühl hat mir gesagt, dass etwas nicht stimmt, aber ich hatte Angst, noch einmal lästig zu werden.

Bei meinem nächsten CTG-Kontrolltermin (nach 3 Stunden Sitzen im Warteraum) suchte die Hebamme die Herztöne. Sie suchte, und suchte, und suchte. Sie meinte, ich sollte mich auf die andere Seite legen und suchte weiter… Doch sie fand nichts… Schnell griff sie zum Telefonhörer und rief eine andere Hebamme zu Hilfe. Auch die zweite Hebamme fand keine Herztöne mehr und ich bemerkte, wie Hektik und Stress ausbrach. Ich fühlte mich ohnmächtig, konnte mich kaum bewegen und bemerkte, dass die Situation aus den Ufern geraten ist… Ab diesem Zeitpunkt bekam ich alles nur mehr abgedämpft bewusst mit. Ich bemerkte, dass auf einmal der ganze Raum voll mit Menschen war und jeder dieser Menschen an einem anderem meiner Körperteile arbeitete… Ich hörte: „Notkaiserschnitt“ weiß aber nicht mehr, wie ich von dem Untersuchungszimmer in den OP gekommen bin. Ich hörte: „Wirkt die Narkose schon? Ich muss jetzt schneiden…“ und fühlte den Druck auf meinem Bauch – aber ich fühlte keinerlei Schmerz. Ich war nur voll besetzt von der Angst und der Verzweiflung, mein Kind zu verlieren… Schließlich wirkte die Narkose…

 

Als ich wieder aufwachte, war ich in einem großen leeren Raum. Meine Familie war bei mir. Die Narkose wirkte noch nach , ich konnte mich nicht bewegen und kaum sprechen, doch ich musst wissen, wie es meiner Tochter geht. Ich war fest davon überzeugt, dass sie gerettet wurde. Meine Familie gab mir ein Foto von ihr. Ich sah sie und musste lächeln. Ich spürte unendliches Glück und auch eine dankbare Freude. Auf dem Bild konnte man sehen, dass meine Tochter an vielen Geräten hing und eine Menge Kabeln aus allen möglichen Körperöffnungen kamen. Ich wusste also, ihr geht es nicht wirklich gut – aber für mich war die Hauptsache zu sehen: sie lebt. Ich fühlte und dachte nur: „Und wenn ich mein ganzes Leben für sie aufopfern muss und sie schwerst beeinträchtigt ist, ich sie bis an mein Lebensende füttern und wickeln muss – das einzig wichtige ist: SIE LEBT!“

Sowohl meine Tochter als auch ich wurden dann in ein anderes Kranenhaus verlegt und bald darauf, konnte ich sie das erste Mal sehen! Es war so ein wunderbares Gefühl auf dem Weg zu ihr. Ich konnte es kaum erwarten sie zu sehen, sie zu halten, ihr zu sagen, wie sehr ich sie liebe… Trotz der schwierigen Situation, war so viel Freude in mir, sie zu sehen!

Als ich in die Neonatologie gebracht wurde und meine Tochter in ihrem Bettchen mit all den Geräten und Schläuchen liegen sah, war mir das Ausmaß der Situation immer noch nicht voll bewusst. Mein einziger Gedanke war: „Wir schaffen das zusammen – wie auch immer – aber wir schaffen das!“ Ich konnte meine Tochter leider nicht auf den Arm nehmen, ich konnte ihr lediglich die Hand streicheln… Ich weiß noch, dass es mir unheimlich weh tat, sie nicht näher bei mir haben zu können… Der Kinderarzt versuchte mir zu erklären, wie es um meine Tochter steht, aber ich war nicht in der Lage, aufzunehmen, was er sagte… In diesem Moment gab es nur mich und meine Tochter. Sonst nichts.

Nach einiger Zeit am Bett meiner Tochter und einem erneuten Gespräch mit dem Arzt, realisierte auch ich langsam, dass unsere Geschichte kein Happy End finden wird… Der Arzt sagte uns, dass unsere Janaina nicht lebensfähig sei. Sie hatte viel zu viel Blut verloren als sie noch in meinem Bauch war und dadurch sind all ihre Organe stark unterversorgt. Ich sagte immer wieder: „Es ist ok wenn sie schwerst beeinträchtigt ist, wir schaffen das!“ Doch der Arzt sagte mir erneut, dass sie nicht überleben kann. Selbst die Geräte können ihr kein Leben versichern… Er meinte, es wäre auch für Janaina eine Erlösung, wenn sie gehen darf…

Somit war für uns klar – wir müssen uns damit beschäftigen, uns von ihr zu verabschieden.

Sich mit diesem Gedanken zu befassen, war der größte Schmerz, den ich je in meinem Leben verspürt habe.

 

Nach langer Zeit in der wir beobachtet haben, wie sehr sie für uns kämpft, hatten wir eine Entscheidung zu treffen… Und es war mit Sicherheit die schwerste Entscheidung meines Lebens!

Der Neonatologe hat uns angeboten, unsere Tochter in den Armen zu halten, wenn sie ihre letzten Atemzüge macht… Die Schwestern haben Janaina von all den Kabeln befreit und die Geäte abgeschlossen und ich durfte sie endlich zum ersten Mal in meinen Armen halten! Es war so ein wunderschönes Gefühl meine Tochter zu halten und ihr Gesicht zu küssen. Doch gleichzeitig wusste ich, es werden nur ganz wenig Augenblicke sein, die wir auf diese Art und Weise miteinander haben. Mit jedem Atemzug den sie machte, dankte ich ihr für die gemeinsame Zeit und sagte ihr schmerzerfüllt, dass es ok ist, wenn sie gehen muss…

Ich sagte ihr, dass sie jetzt nicht mehr stark sein und kämpfen muss für uns. Ich sagte ihr, dass wir sie über alles lieben. Und ich sagte ihr, dass wir sie nie vergessen werden und sie immer ein Teil von uns bleiben wird!

Ich ließ meine Tochter fliegen und spürte, dass sie auf eine ganz bestimmte Weise immer bei mir sein wird!

 

 

In liebevoller Erinnerung an meine Tochter

Janaina da Silva Sampaio

♥ 19. September 2008
∗ 10. Juni 2009
∞ 11. Juni 2009